Johann Wolfgang von Goethe, einer der besten und
erfolgreichsten deutschen Dichter, wurde am 28.8.1749 um ca. 12.20 Uhr in
Frankfurt am Main als Sohn von Elisabeth (geb. Textor) und Johann Kaspar
geboren und starb am 22.3.1832 in Weimar, wo heute noch das Goethehaus zu
bewundern ist. Er hatte das Glück, seine Kindheit in einem reichen
Patrizierhaus verbringen zu können, da sein Vater Anwalt war, was auch seine
Karriere beeinflußte. Dies bewahrte seine Familie aber nicht vor Schicksalsschlägen,
da nur er und seine Schwester Cornelia die Kindheit überlebten, während vier
andere Kinder schon in frühen Jahren starben.
Das Geld seiner Eltern ermöglichte ihm dann
schließlich auch eine vielseitige und gute Erziehung in der Schule am Frankfurter
Großen Hirschgraben. Da sein Vater angesehener Jurist war, wollte Goethe gerne
in seine Fußstapfen treten und begann daher 1765 ein Jurastudium in Leipzig,
das 1768 jäh endete, da seine Liebe zu Käthchen Schönkopf in die Brüche ging
und er einen Nervenzusammenbruch erlitt, von dem er sich nur schwer erholte.
Nach einem Genesungsjahr (1769) in Frankfurt legte er in den Jahren 1770 - 71
die Lizentiatenprüfung in Straßburg ab. Zu dieser Zeit entstanden auch seine
ersten Werke, die schon zeigten, was für ein Potential in ihm steckte. So
schrieb er nämlich schon in Leipzig Stücke wie:
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Die Laune des Verliebten
(rokokohaftes Schäferspiel, das erstmals 1779 gedruckt wurde).
·
Annette (hierbei handelt es
sich um ein anakreontisches Liederbuch, in dem sich seine gescheiterte Liebe zu
der schon vorher erwähnten Käthchen Schönkopf widerspiegelt).
·
Oden und Briefe an seinen
Freund E.W. Behrisch
Später in Straßburg entdeckte er neue Horizonte
und begeisterte sich, unter dem Einfluß von J.G. Herder für Homer, Pindar, Shakespeare,
Ossian und die gotische Baukunst als auch für das Volkslied.
In diesem erkannte er „die ältesten Urkunden"
dichterischer Gestaltungskraft. Die Begegnung mit Herder war für Goethe sehr
erfolgreich. Er erhielt von diesem viele neue Anregungen. So gewann er durch
ihn endlich den Abstand von allem rokokohaftem und wurde mit der
antirationalistischen (gegen Vernunft im Mittelpunkt) sibyllinischen
(geheimnisvoll, rätselhaft) Gedankenwelt Hamanns bekannt.
In dieser Zeit entstanden einige seiner bedeutendsten
Werke:
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Die Urfassung des Faust:
Der „Faust" ist
Goethes Lebenswerk, an dem er durch die Jahrzehnte immer wieder gearbeitet hat.
Die Faustsage stammt aus dem Mittelalter. Sie berichtet von einem Manne, der
seine Seele dem Teufel verschrieb, um dadurch zu außergewöhnlichen Genüssen und
Kenntnissen zu gelangen. Er war Alchimist, konnte Tote erwecken und weissagen.
Goethe erhielt die Anregung zu seiner Dichtung durch das spätmittelalterliche
Volksbuch von Doktor Faust und durch ein Puppenspiel, das durch englische
Komödianten nach Deutschland gekommen war. Durch Goethe entstand im Faust das
Bild des rastlos nach Wahrheit und Glück suchenden Menschen , der durch alle
Höhen und Tiefen des Lebens endlich „zu Gott" gelangt. Das Werk besteht
aus zwei Teilen und einem Vorspiel.
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Die Urfassung des Götz von Berlichingen:
Götz von Berlichingen
ist ein echtes Werk des Sturm und Drang, unter dem Einfluß Shakespeares
geschaffen. Daher sind die Personen blutvolle Menschen, getrieben von
Leidenschaft, Liebe und Haß. Es ist wohl das deutscheste Drama unserer
Literatur. Götz ist der lautere Charakter, für den Treue, Recht und
Gerechtigkeit noch erstrebenswerte Tugenden sind. Er ist hineingestellt in eine
sittenlose Zeit, in der er zerbrechen muß. Im Kampf gegen die Doppelzüngigkeit
und Untreue wird er selbst schuldig, denn er bricht seinen Eid. In diesem Stück
wurde endgültig der Bruch mit dem klassizistischen Drama vollzogen, da es sehr
viele Szenenwechsel gibt (59) und weder eine Einheit der Zeit noch des Ortes
kennt.
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Die Lieder „Willkommen und Abschied", „Heideröslein" und
„Mailied", die er Friederike Brion widmete.
Man kann dann auch
sagen, daß er aufgrund dieser Werke zum führenden Dichter des Sturm und Drang
aufstieg.
Nach erfolgreicher Prüfung 1771 ging Goethe wieder
zurück nach Frankfurt, wo er als Rechtsanwalt in der Kanzlei seines Vaters
tätig war. Zu dieser Zeit knüpfte er auch Kontakte, die für seinen späteren
Lebenslauf von Vorteil waren, wie z.B. der freundschaftliche Umgang mit
Maximiliane Brentano, J.H. Merck oder auch mit J.M.R. Lenz. Diese Jahre in
Frankfurt waren die entscheidenden Jahre des Reifens, da jetzt seine wohl
besten Werke entstanden, wie z.B.
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Die Gedichte : Wanderers Sturmlied
Prometheus
Mahomets Gesang
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Die zweite Fassung des „Götz von Berlichingen" (1773)
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Das Drama „Clavigo" (1774)
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Das Drama „Stella" (1776)
·
Sein Briefroman „die Leiden des jungen Werther"
Den er nach seiner Praktikantenzeit im Jahr 1772 am Reichskammergericht in
Wetzlar, wo er auch von der Liebe zu Charlotte „Lotte" Buff erfaßt wurde,
1774 verfaßte. Dieses wohl bekannteste Werk verschaffte ihm auf einen Schlag
Weltruhm, obwohl nicht nur positive Stimmung zu vernehmen war, sondern sich
auch Kritik an diesem Werk breitmachte. Zu dieser Zeit hatte er schon wieder
eine Affäre und zwar mit Lilli Schönemann, die aber genauso, wie die anderen
zuvor auch scheiterte.
Ab 1774:
Eine
reise in die Schweiz, die er 1774 unternahm, zeigte sich förderlich für seine
weitere Entwicklung, genauso wie die neu errungenen Bekanntschaften mit F.G. Kloppstock,
J.K. Lavater oder auch dem Grafen Stollberg. Ein Jahr später, nämlich 1775,
berief Karl August, der Herzog von Sachsenweimar, Goethe in seine Residenz nach
Weimar. Gegen den Widerstand der Beamtenschaft wurde er 1776 Geheimer
Legationsrat. 1779 stieg er zum Geheimrat auf, d.h. er war somit auch Mitglied
in der Regierung und 1782 schließlich wurde er zum Präsidenten der Finanzkammer
ernannt. Aufgrund seiner hervorragenden Arbeit wurde er 1782 sogar vomKaiser
geadelt.
In dieser Zeit fand auch ein großer Wandel in
Goethes Leben statt. Seine Liebe zu Charlotte von Stein und das jetzt völlig
neue Ideal des tätigen Menschen wandelten Goethe zum klassischen Dichter, der
„Klarheit der Form, Mäßigung der Leidenschaft und organische Selbstentfaltung"
anstrebt. So entstanden auch seine ersten klassischen Werke:
·
Grenzen der Menschheit
·
An den Mond
·
Wanderers Nachtlied, die alle drei Gedichte waren.
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Die Schauspiele „Iphigenie" und „Tasso"
Zwischen dem „Götz"
des Stürmers und Drängers und der „Iphigenie" des Klassikers Goethe liegt
eine Welt. Das zeigt sich sowohl im Aufbau als auch im Inhalt der Dramen. Der
„Götz" ist locker und in Prosa geformt, die Szenen wechseln etwa 50mal,
die Einheit der Handlung wird nur durch die Hauptperson gewährleistet. In der „Iphigenie"
ist der dramatische Aufbau mustergültig. Die Sprache ist in fünffüßige Jamben
gefaßt, die Handlung spielt an einem Ort, in wenigen Stunden. Inhalt des
„Götz" sind Kampf, List und Untreue. Die Spannung wird durch äußeres
Geschehen hervorgerufen. Auch die Tragik ist nicht tief, da Götz an den
Widerwärtigkeiten der Umwelt zugrunde geht. Wirkliche Tragik entsteht aber
erst, wenn auch die inneren Konflikte des Helden geschildert werden. Die
„Iphigenie" hat die läuternde Wirkung einer großen, reinen Seele zum
Thema. Iphigeniens Konflikt ist ein innerer; sie kämpft sich durch zu wahrer
Seelengröße: „Reinen Herzens bleiben, das ist das Höchste, dessen der Mensch
fähig ist."
·
Der Bildungsroman „Wilhelm Meisters Lehrjahre"
Sein Wandel zum klassischen Dichter bewirkte aber
auch, daß das bloße Naturerlebnis, welches vor allem im „Werther" seinen
Höhepunkt fand, zurückgedrängt wurde und an dessen Stelle die
naturwissenschaftliche Forschung trat. So entdeckt er z.B. 1784 den
Zwischenkieferknochen und nach und nach kam er auch mit seiner Methode der
morphologischen (die äußere Gestalt betreffend, der Form nach) Betrachtung
voran. Allerdings beengte dies und seine amtlichen Verpflichtungen und
Stellungen sein Dichterherz so, daß er 1786 regelrecht nach Italien floh. Dort blieb
er bis 1788 und verfaßte dort auch Werke wie:
·
Egmont
„Egmont" zeigt eine
neue Stufe in Goethes Schaffen. Die Handlung ist gegenüber dem „Götz"
einheitlicher, auch steht nicht mehr das bewegte äußere Geschehen im
Vordergrund, sondern das innere, das seelische, der Charakter.
·
Die Prosafassung der „Iphigenie" in Blankverse
umgearbeitet und „Tasso"
und die „Römischen Elegien"
1789 nach Weimar zurückgekehrt begann Goethe die
Leitung des Hoftheaters zu übernehmen (1791) und führte so auch diese Bühne zu
Weltruhm (Engagement bis 1817). Seine spätere Frau Christiane Vulpius lernte er
1788 kennen. Er heiratete sie 1806 und sie gebar ihm fünf Kinder, von denen
aber nur August die Kindheit überlebte. 1790 widmete er sich allerdings immer
noch der Forschung und erstellte so auch die Bücher über die „Metamorphose der Pflanzen"
und die „Farbenlehre".
1790 unternahm er die zweite Italienreise und zwei Jahre später, 1792, eine
Frankreichreise („Campagne in Frankreich" / 1822), die, genauso wie die
französische Revolution viel Unruhe in sein Leben brachten und zu einer
Schaffenskrise führten. Erst die Bekanntschaft mit Schiller, dem wohl
bekanntesten Dichter der damaligen Zeit, brachte Auftrieb. Sie kamen sich erst
1794 etwas näher, da vorher ihre Gesinnungen eher entgegengerichtet waren. Seit
Anfang der 1790er Jahre jedoch, seit Schiller sich mit den Schriften Kants
auseinandersetzte, erlebt er eine innere Wandlung. Er tat auch den ersten
Schritt und schrieb einen Brief an Goethe.
Aus der ersten Bekanntschaft entwickelte sich bald
ein intensiver mündlicher und schriftlicher Gedankenaustausch, der beiden
Teilen den „reinen Genuß und wahren Nutzen" brachte. Der Nutzen bestand
darin, daß Goethe Schillers Drang zum Extremen und seine Tendenz zu
philosophischen Spekulationen mäßigte und Schiller im Gegenzug Goethe von
seinen naturwissenschaftlichen Studien wieder mehr zur dichterischen Produktion
zog. Das erste gemeinsame Werk waren die „Horen",
welches jedoch wenig Resonanz beim Publikum fand. In den folgenden „Xenien" ließen Schiller und
Goethe ihrem Unmut über das Publikum freien Lauf. Nach diesem Xenienjahr
(1796), in dem Goethe auch seinen Erziehungsroman „Wilhelm Meisters Lehrjahre" den letzten Schliff gab,
folgte ein Baladenjahr, in dem die beiden ihre großen Balladen schufen, wie
z.B. „Der Zauberlehrling",
„Der Taucher" und „Die Kraniche des Ibykus".
Ein Jahr später erschien „Hermann und
Dorothea", eines der schönsten Epen in deutscher Sprache. Den
Stoff fand der Dichter in einem Erlebnis von protestantischen Salzburger Auswanderern,
die ihres Glaubens wegen aus Österreich vertrieben waren und bis nach
Ostpreußen wanderten. 1803 erschien das Werk „Die natürliche Tochter", welches eigentlich der erste
Teil einer tragischen Trilogie sein sollte, womit er auf die Französische
Revolution, mit der er nicht ganz einverstanden war, antworten wollte. Ebenso
versuchte er sich mit der Zeitschrift „Prophyläen"
an der bildenden Kunst. Sein
Hauptaugenmerk lag aber zu diese Zeit, trotz der vielen anderen
Beschäftigungen, auf der Verfassung des „Faust",
der 1806 vollendet wurde. Goethes und Schillers Dichtungen und Abhandlungen der
zeit zeigen eine Tendenz zum Belehrenden, ja fast zum Lehrhaften.
Um noch enger zusammen arbeiten zu können,
siedelte Schiller 1799 nach Weimar über. Seine unmittelbare Teilnahme gab
Goethes Tätigkeit für das Weimarer Theater neue Impulse. So konnten sie die
gemeinsam entwickelten klassizistischen Stilisierungsprinzipien auf der Bühne
erproben und gaben Weimar damit ein immer größeres Ansehen als Zentrum der deutschen
Kultur. So gab es z.B. Aufführungen von „Maria
Stuart" (1800), der „Braut
von Messina" (1803) und des „Wilhelm
Tell" (1804). Ihr gemeinsam ausgearbeitetes Programm der „Weimarer
Kunstfreunde" stieß auf den Widerstand der jüngeren Generationen. Sie
waren der Meinung daß die Motive aus der Antike, die Goethe und Schiller fast
ausschließlich benutzten, vergangen seien und nicht wieder zurückgeholt werden
sollten. 1805 endete die Beziehung zwischen Schiller und Goethe. Beide waren
schon seit Januar krank und ein Gedankenaustausch war nicht mehr möglich. Mitte
des Jahres 1805 starb Schiller. Goethe verlor in ihm, wie er sagte, die Hälfte
seines Daseins. Der Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe gehört zu den
großen Zeugnissen deutschen Geistes.
Trotz seines doch schon recht fortgeschrittenen
Alters verliebte sich Goethe noch einige Male. So führte z.B. seine Liebe zu
Minchen Herzlieb dazu, daß er sie mit der Rolle der Ottilie in seinem Werk „Die Wahlverwandschaften"
(1809) bedachte. Da diese Beziehung sehr von Resignation überschattet war,
schlug sich dieses auch im Roman nieder. Das starre Festhalten an
Moralgrundsätzen im Roman, das in der Forderung nach Unauflöslichkeit der Ehe,
aber auch in verzehrender Entsagung seinen Höhepunkt erreichte, erweckte
bereits bei seinem Erscheinen eine leidenschaftliche Diskussion.
Eine weitere Beziehung zu Marianne von Willemer
und auch zu Ulrike von Levetzow führte dazu, daß er eben diese Liebschaften in
den Werken „Westöstlicher Diwan"
und den „Marienbader Elegien"
zu verarbeiten versuchte. In späteren Jahren schrieb er auch immer noch große
Werke. So entstand z.B. ein Jahr vor seinem Tod „der zweite Teil des Faust", ein Universaldrama. Ebenso
entstanden jetzt zum Ende seines Lebens hin noch Werke, die er aufgrund eigener
Lebensrückschauen und Erfahrungen verfaßte, wie z.B. „Dichtung und Wahrheit". Dieses Werk war seine
Autobiographie. Da in dieser Zeit, in der Goethe an diesem Werk arbeitete (1811
- 1814), seine Mutter längst gestorben war, konnte er nicht auf ihre
Erinnerungen zurückgreifen und mußte so sorgfältig seine eigenen Erinnerungen
aufschreiben.
Ein weiteres Werk war die „Italienische Reise" (1816 - 1817). Aber er befaßte
sich auch zu dieser Zeit noch mit der Naturwissenschaft („Zur Morphologie"
/ 1820) ebenso mit Kunst und Kunstgeschichte. Seine letzte große Beschäftigung
war das 40-bändige Lexikon „Vollständige
Ausgabe letzter Hand", das er 1831 beendete.
Am 22.3.1832 starb Goethe 82-jährig in seiner
Wahlheimat Weimar. Zu dieser Zeit war die „Goethe-Zeit", nämlich die
Klassik schon vorbei und das Hauptaugenmerk lag auf der industriellen
Revolution, die jetzt in Gang kam. Aber Werk und Gestalt Goethes haben jede
Generation aufs neue angesprochen und zur Auseinandersetzung aufgefordert.
Goethes sprachgewaltige Erlebnislyrik, seine organische Naturanschauung und
seine leidende, rastlos strebende und kämpfende Menschlichkeit überstanden
politische wie konfessionelle Anfeindungen und selbst übertriebenen Kult.